Da steckt mehr dahinter.
„Schneeballens Fall“ wirkt auf den ersten Blick etwas arg zuckrig, nicht nur wegen der Bonbons auf dem Cover, über alle Maßen süß. Das Genre scheint vertraut, ein Reisetagebuch in Comicform – Zeichner wie Craig Thompson oder Sebastian Lörscher („Making Friend in Bangalore“) haben hier den Maßstab sehr hoch gelegt. Höher, als „Schneeballens Fall“ auf den ersten Blick kommt.
Der Band schildert meist in kurzen Strips einen zweimonatigen Aufenthalt der Zeichnerin in Korea – Südkorea, wie sie immer wieder betont. Die Episoden sind oft banal, sie handeln vom Einkaufen, vergleichen die Essgewohnheiten und die modischen Unterschiede zwischen Korea und Deutschland. Steinmetz‘ Stil ist gefällig, kugelig, weich. Ecken und Kanten gibt es nicht – in der Erzählung nicht und nicht im grafischen Gepräge.
Was so banal erscheint, hat einen ernsten Hintergrund. Auf den ersten Seiten des Buches schildert die Zeichnerin ihren Seelenzustand vor der Reise. Es ist der einer ernsthaften Depression. Er handelt von Einsamkeit, Ziellosigkeit und Angst. Der Trip nach Korea ist damit nicht nur Flucht vor der Erkrankung. Er ist, mit all seiner Quietschbuntigkeit, vor allem aber mit der erzwungen Sozialisierung mit dem vollkommen Fremden (die Reise wird vom südkoreanischen Staat bezahlt) die Geschichte einer Therapie.
Der titelgebende Fall erhält hier eine doppelte Bedeutung, vom depressiven Absturz hin zum Sprung zurück ins Leben. Der Einstieg ins Banale (wie etwa der Erkenntnis, dass man in öffentlichen südkoreanischen Toiletten nicht pupsen darf) ist eben auch ein Wiedereinstieg ins Leben, das oft genug banal ist.
„Schneeballens Fall“ ist ein Buch, das ein ernstes, auch bitteres Thema in eine zuckersüße Hülle steckt. Schon Mary Poppins wußte, dass das hilft.
Verlag: Carlsen, 128 Seiten, 12,00€
https://www.carlsen.de/softcover/schneeballens-fall/63124
Homepage: http://www.the-wired.de/