Nominierung Juni 2013: Olivia Vieweg: „Huck Finn“

nominoliviaWie ihr vor einigen Wochen lesen konntet: Auch Olivia Vieweg passt in unsere Comicgarten-Landscahft. Überhaupt, Landschaft. Die spielt auch eine zentrale Rolle in Olivia Viewegs jüngst bei Suhrkamp erschienen Adaption von Mark Twains „Huckleberry Finn“. Vieweg verpflanzt den Roman aus dem Mississippi-Delta während der amerikanischen Sklavenhalterzeit in die Neuzeit und nach Halle an der Saale. Das ist in seiner nüchternen und trockenen Natur ganz Gegenthese zum schwülen amerikanischen Süden.

Huck Finn ist hier Waisenkind unter den Fittichen eines Hallenser Straßenkind-Projektes. Nigger-Jim wird zur weiblichen Jin, der (mutmaßlich) minderjährigen Prostituierten, die vor ihrem Zuhälter wegrennt. Beide wollen mit dem Floß die Saale runter, bis zur Elbe und nach Hamburg, wo Jin Verwandte hat.

Nach Norden, wie bei Twain. Aber erstmal bleibt man tief im Osten, zwischen Halle und Wettin. Und wieder spielt die Landschaft, hier die Flußlandschaft der Saale, die eigentliche Hauptrolle. Huck und Jin schaukeln sich einen der langweiligsten Flüsse Deutschlands runter, Olivia Vieweg inszeniert das als angsterregende Einöde.

Twains Roman gilt ganz zu Recht als eine der größten Errungenschaften der amerikanischen Kultur. Naturgemäß sind die Dialoge, die sich eng an die Vorlage halten, gelungener als in Olivias „Vorgängerarbeiten“.

Es ist ein großartig gemachtes Erzählbett, mit komplexer, glaubwürdiger Motivation der beiden Hauptfiguren und einem wenn auch nicht so kraftvoll wie der Mississippi treibenden Handlungsfluß, das Olivia Vieweg vor allem mit ihren lyrischen Naturbildern, genauso aber mit realistischer gegenwärtiger Figurenzeichnung ausfüllt. Körpersprache und Kleidung der Protagonisten sind im kraftvoll vereinfachten Strich von Vieweg manchmal komisch, immer aber realistisch, deutlich vom Manga beeinflusst und doch im Hier und Jetzt anzusiedeln.

„Huck Finn“ zeigt , wie kraftvoll und stark Olivia Vieweg erzählen kann und welches Potential noch in ihr steckt. Wir gratulieren zur Nominierung! (Stefan Pannor)

Huck Finn: Suhrkamp, 144 S.; € 19,99

http://www.olivia-vieweg.de

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